agilophil Podcast Logo Staffel 1

agilophil Podcast Folge 14: Agiler Festpreis – lieber nicht…

Agile Festpreise und andere Mythen – Warum du sie vermeiden solltest

In dieser Folge des agilophil-Podcasts beschäftige ich mich mit einem besonders brisanten Thema: den sogenannten agilen Festpreisverträgen. Immer wieder höre ich Diskussionen über Verträge mit externen Dienstleistern, die gleichzeitig agil und festpreisgebunden sein sollen. Doch ist das überhaupt möglich? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen funktioniert es – oder sollte man es lieber gleich sein lassen?

Warum ist das Thema so wichtig?

Viele Unternehmen versuchen, agile Methoden mit klassischen Vertragsmodellen zu kombinieren. Dabei entstehen oft Missverständnisse und Konflikte, weil ein agiler Festpreis im Kern ein Widerspruch ist. Ein Festpreisvertrag erfordert eine klare, unveränderliche Leistungsbeschreibung, während agiles Arbeiten auf Flexibilität, kontinuierliche Anpassung und Kundennutzen setzt.

Ich selbst habe in einem Projekt mit mehreren Dienstleistern erlebt, wie schwierig die Umsetzung ist. Das Projekt startete mit viel Motivation, doch nach sechs Monaten wurde es gestoppt – nicht zuletzt wegen ungeeigneter Vertragsmodelle. Dabei habe ich viel gelernt, was ich in dieser Folge mit dir teile.

Die zentralen Fragen rund um agile Verträge

Bevor man über agile Festpreise spricht, sollte man sich einige grundlegende Fragen stellen:

  • Was ist das Ziel des Projekts?
  • Welche Herausforderungen gibt es?
  • Was sagt das Agile Manifest zu Vertragsverhandlungen?
  • Welche Faktoren führen zu Unzufriedenheit zwischen den Vertragspartnern?

Meine wichtigste Erkenntnis: Agile Festpreisverträge sollte man nach Möglichkeit vermeiden! Sie widersprechen den agilen Werten und Mindsets. Wenn sich ein Unternehmen ernsthaft in eine agile Organisation transformieren will, sollte es sich bewusst sein, dass starr definierte Verträge diesem Ziel entgegenstehen.

5 Punkte, die du bei einem agilen Festpreisvertrag beachten musst

Falls du dennoch gezwungen bist, einen solchen Vertrag aufzusetzen, solltest du unbedingt diese fünf zentralen Punkte berücksichtigen:

1. Der Geist des Vertrags muss die Zusammenarbeit widerspiegeln

Ein Vertrag sollte nicht als Kontrollinstrument dienen, um Druck auf den Dienstleister auszuüben. Druck erzeugt Gegendruck! Wenn der Vertrag mit Pönalen oder Strafzahlungen arbeitet, wird der Dienstleister sich mehr auf Absicherung als auf Produktivität konzentrieren. Das führt dazu, dass der Fokus sich von Kundennutzen hin zu Schuldzuweisungen verschiebt – das ist alles andere als agil.

2. Baue Flexibilität ein

Ein agiler Vertrag muss Veränderungen ermöglichen. Das bedeutet: Keine festen Anforderungen und keine Storypoints als Vertragsgegenstand! Sobald Anforderungen festgeschrieben sind, verliert das Projekt die Möglichkeit, sich an neue Erkenntnisse anzupassen. Statt auf Output (z. B. Storypoints) sollte der Fokus immer auf Kundennutzen liegen.

3. Berechne den Festpreis anhand des Teams, nicht der Anforderungen

Der beste Ansatz ist, den Preis auf der Basis der Teamkapazität zu berechnen: x Personen × Sprintdauer. So bleibt das Budget konstant, während das Team die Flexibilität behält, den größten Nutzen für den Kunden zu erzielen. Modelle, die jede einzelne Anforderung monetär bewerten, sind aufwendig und oft fehleranfällig.

4. Falls nötig: Nutze das „Exchange for Free“-Verfahren

Falls Festpreise unumgänglich sind, kann eine „Exchange for Free“-Regel eine gewisse Flexibilität einbauen. Dabei wird festgelegt, dass neue Anforderungen nur dann ergänzt werden können, wenn andere entfallen. Doch auch hier gibt es Herausforderungen: Um eine Anforderung gegen eine andere „gleichwertig“ zu tauschen, braucht es eine objektive Bewertung – und genau hier entstehen oft Konflikte.

5. Definiere den Abnahmegegenstand richtig

Klassische Werkverträge arbeiten mit Abnahmen: Eine Leistung wird kontrolliert und erst nach Freigabe bezahlt. In agilen Projekten passt dieses Prinzip nicht, weil es auf Command & Control-Denken basiert. Viel sinnvoller ist es, den Kundennutzen als Maßstab für den Erfolg eines Sprints zu definieren.

Ein neuer Ansatz: Der Sprint-Nutzen als Vertragskriterium

Ein innovativer Vertragsansatz ist es, den Sprintnutzen zu messen:

  1. Kundennutzen in Euro bestimmen (früher „Business Case“ genannt)
  2. Sprint-Kosten berechnen (Team × Arbeitstage)
  3. Vergleich: Ist der erwartete Nutzen höher als die Kosten?

Wenn der Kundennutzen eines Sprints regelmäßig die Kosten übersteigt, ist das Projekt wirtschaftlich sinnvoll. Falls nicht, könnten vertragliche Anpassungen (z. B. Boni für Kundennutzen) eine faire Lösung sein.

Wie sieht eine realistische Lösung aus?

Da Festpreise manchmal unvermeidbar sind (z. B. bei öffentlichen Ausschreibungen), kann eine Mischform helfen. Ein möglicher Ansatz:

  • Feste Kernanforderungen definieren (z. B. Projektvision)
  • Flexibilität durch Austauschmöglichkeiten im Vertrag verankern
  • Sprintweise Beauftragung statt einmaliger Festpreisbindung
  • Einsparungen teilen: Wenn ein Projekt früher fertig ist, erhält der Dienstleister einen Bonus – das motiviert zur Effizienzsteigerung.

Fazit: Verträge müssen Partnerschaft statt Kontrolle fördern

Am Ende kommt es darauf an, dass Verträge nicht als Kontrollinstrumente verstanden werden, sondern als Partnerschaftsabkommen. Agile Projekte funktionieren nur, wenn Vertrauen, Flexibilität und gemeinsames Arbeiten im Vordergrund stehen.

Ressourcen und Empfehlungen

Wie siehst du das? Hast du Erfahrungen mit agilen Verträgen gemacht? Schreib mir deine Gedanken auf agilophil.de oder vernetze dich mit mir auf LinkedIn!

Dein agilophiler Frank

Weitere Episoden des agilophil Podcasts findest du auf der Übersichtsseite Podcast.