Scrum und Disziplin: Warum agile Teams eine klare Struktur brauchen
In dieser Folge des agilophil Podcasts spreche ich über ein oft übersehenes, aber entscheidendes Thema für agile Teams: Disziplin. Agilität wird häufig mit Flexibilität und Kreativität gleichgesetzt, doch ohne klare Strukturen, Transparenz und konsequente Abläufe kann kein Team langfristig erfolgreich sein.
Dazu nehme ich euch mit auf eine kleine Zeitreise in meine Vergangenheit, die erstaunliche Parallelen zu agilen Arbeitsweisen aufweist.
Disziplin und Agilität – Ein Gegensatz?
1985/86 habe ich meinen Wehrdienst bei der Luftwaffe geleistet und war als „Radartiefflugmelder“ im Harz tätig. Meine Aufgabe war es, den Luftraum zu überwachen und jede ungewöhnliche Bewegung zu melden – präzise, zuverlässig und ohne Verzögerung. Es war eine strukturierte und disziplinierte Tätigkeit, die nichts mit Chaos zu tun hatte.
Und genau das ist der Punkt: Agilität bedeutet nicht, dass alles frei und ungeordnet abläuft. Vielmehr brauchen agile Teams klare Abläufe, definierte Verantwortlichkeiten und eine transparente Kommunikation – genau wie ich damals bei der Überwachung des Luftraums.
Disziplin in agilen Teams bedeutet:
✅ Klare Regeln und Prozesse einhalten – z. B. Definition of Done, Sprint-Ziele und Kanban-Prinzipien
✅ Probleme frühzeitig erkennen und lösen – Transparenz über Hindernisse und Blocker schaffen
✅ Selbstorganisation mit Struktur verbinden – Werkzeuge wie das Sprint Burndown Chart richtig nutzen
✅ Auf Veränderungen schnell reagieren – ohne dabei das Gesamtziel aus den Augen zu verlieren
Das Sprint Burndown Chart als Frühwarnsystem
Ein wichtiger Bestandteil von Scrum ist das Sprint Burndown Chart, das zeigt, wie sich die verbleibende Arbeit innerhalb eines Sprints entwickelt. Doch oft wird es falsch interpretiert oder nicht konsequent genutzt.
Ein gut geführtes Burndown Chart hilft dabei, Probleme frühzeitig zu erkennen, zum Beispiel:
📌 Wenn die Kurve horizontal verläuft: Das Team macht kaum Fortschritte und wird das Sprintziel nicht erreichen
📌 Wenn User Stories immer größer werden: Möglicherweise gibt es unkontrollierte Scope-Erweiterungen
📌 Wenn kritische Teammitglieder ausfallen: Transparenz über Abwesenheiten fehlt
📌 Wenn ungeplante Unterbrechungen auftreten: Externe Störungen oder Ad-hoc-Tickets gefährden den Sprint
Scrum bedeutet, dass Teams diszipliniert auf ihre Signale achten müssen – sonst riskieren sie, am Sprintende mit unerledigten Aufgaben dazustehen.
Sprint-Abbruch: Eine mutige, aber oft sinnvolle Entscheidung
Es gibt Fälle, in denen ein Team erkennen muss: Dieser Sprint wird nicht erfolgreich enden.
Das ist ein entscheidender Moment. Statt einfach weiterzumachen und ein Scheitern „auszusitzen“, kann es besser sein, den Sprint bewusst abzubrechen. Der Vorteil:
🛑 Ein Abbruch macht Probleme sichtbar – Verdeckte Hindernisse kommen ans Licht
📢 Das Team kann gemeinsam Lösungen entwickeln – statt in alten Mustern stecken zu bleiben
⚡ Zukunftsorientierte Maßnahmen können ergriffen werden – z. B. Anpassung der Prozesse oder neue Prioritäten
Scrum-Teams, die sich als High-Performance-Teams verstehen, sehen einen Sprint-Abbruch nicht als Niederlage, sondern als Möglichkeit, schneller zu lernen und besser zu werden.
In Japan gibt es dafür das Konzept des Poka-Yoke („fehlersicheres Arbeiten“), bei dem Fehler erkannt und vermieden werden, bevor sie große Auswirkungen haben. Ein Sprint-Abbruch ist also nicht das Ende eines Projekts, sondern ein wichtiges Signal für Verbesserung.
Fazit: Scrum braucht Disziplin – und das ist nichts Schlechtes!
Disziplin in agilen Teams bedeutet nicht starre Regeln oder strikte Hierarchien, sondern eine klare und gelebte Struktur, die Transparenz schafft und Probleme frühzeitig aufzeigt.
❗ Ohne Disziplin ist Agilität nur Chaos.
❗ Mit Disziplin wird Scrum zu einer leistungsfähigen Arbeitsweise.
Ressourcen und Empfehlungen
- Buchtipp: Jeff Sutherland, J.J. Sutherland – Scrum: The Art of Doing Twice the Work in Half the Time
- Artikel: Emergency Procedure -Alias: Stop the Line
Ich bin gespannt auf eure Meinung: Welche Rolle spielt Disziplin in euren Teams? Ist ein Sprint-Abbruch für euch ein Tabu oder eine bewährte Praxis?
Hinterlasst mir eure Gedanken in den Kommentaren oder auf LinkedIn!
Bis zur nächsten Folge – agil beginnt im Kopf!
Dein agilophiler Frank
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