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agilophil Podcast Folge 17: Shu-Ha-Ri

Shu-Ha-Ri – Der Weg zur Meisterschaft im agilen Arbeiten

Scrum, Kanban, Lean Manufacturing – viele dieser Methoden haben ihre Wurzeln in Japan oder bauen auf japanischen Werten und Traditionen auf. Ein wichtiges Konzept, das auch für agiles Arbeiten eine zentrale Bedeutung hat, ist Shu-Ha-Ri.

Doch was genau steckt dahinter? Und wie hilft es uns, agile Methoden richtig zu verstehen und anzuwenden? Darum geht es in dieser Episode des agilophilen Podcasts.

Was ist Shu-Ha-Ri?

Der Begriff Shu-Ha-Ri stammt aus Japan und beschreibt die drei Stufen des Lernens zur Meisterschaft. Ursprünglich aus Kampfkünsten wie Aikido oder Karate bekannt, lässt sich das Modell auf viele andere Bereiche übertragen – auch auf agiles Arbeiten.

  • Shu (守) – Kopieren: Lernen durch Nachahmung, strikte Befolgung von Regeln
  • Ha (破) – Abweichen: Hinterfragen und Verändern der Regeln
  • Ri (離) – Meistern: Eigene Wege finden und neue Regeln definieren

Dieses Stufenmodell kennen wir auch in unserer Kultur, zum Beispiel in der traditionellen Handwerksausbildung mit Lehrling, Geselle und Meister. Doch was bedeutet das konkret?

Beispiele für Shu-Ha-Ri in der Praxis

Um das Konzept zu verdeutlichen, werfen wir einen Blick auf verschiedene Disziplinen, in denen Meisterschaft durch Shu-Ha-Ri erreicht wird.

Die Klippenspringer von Acapulco – Perfektion durch Wiederholung

In Acapulco wagen sich die Clavadistas, die berühmten Klippenspringer, aus 35 Metern Höhe ins Wasser. Doch bevor sie auf diese Höhe dürfen, beginnen sie ihre Ausbildung auf einem halben Meter. Erst wenn sie den perfekten Sprungablauf beherrschen, steigen sie höher. Die Entwicklung über Jahre hinweg zeigt die Stufen von Shu-Ha-Ri:

  1. Shu: Wochenlanges Üben aus niedriger Höhe, um Technik und Sicherheit zu gewährleisten
  2. Ha: Höhere Sprünge, erste Anpassungen der Technik
  3. Ri: Meisterschaft – die Springer beherrschen alle Elemente und entwickeln ihren eigenen Stil

Edouard Manet und der Impressionismus – Von der Regel zur Revolution

Der Maler Edouard Manet durchlief eine klassische Kunstausbildung, die auf strenger Nachahmung alter Meister beruhte – typisch für den Shu-State. Doch dann begann er, sich von den etablierten Techniken zu lösen (Ha) und mit dem Impressionismus eine neue Kunstrichtung zu prägen (Ri).

Diese Entwicklung zeigt: Meisterschaft entsteht nicht durch Regelbruch ohne Wissen, sondern durch tiefes Verständnis der Grundlagen.

Arjen Robben – Der perfekte Move im Fußball

Auch im Sport zeigt sich Shu-Ha-Ri. Fußballer Arjen Robben war bekannt für seinen unaufhaltsamen Dribbling-Move, den er über zehn Jahre perfektionierte. Trotz Meisterschaft trainierte er täglich weiter – ein Zeichen echter Expertise.

Shu-Ha-Ri in der Agilität

Wie übertragen wir das auf agiles Arbeiten?

Shu – Die Anfangsphase: Regeln befolgen

Anfänger in Scrum oder Kanban sollten sich strikt an die Regeln halten, um die Grundlagen zu verstehen. Das bedeutet:

  • Regelmäßige Meetings (Daily, Planning, Review, Retrospektive)
  • Klar definierte Rollen und Prozesse
  • Strukturierte Backlogs und Taskboards

Viele Teams wollen von Anfang an „ihr eigenes Ding“ machen. Doch ohne die Grundlagen zu verstehen, zerstört man das System, bevor man die Vorteile erkennt.

Ha – Die Anpassungsphase: Hinterfragen und Verstehen

Nach einiger Erfahrung erkennen Teams, welche Prozesse gut funktionieren und wo Anpassungen nötig sind. Jetzt beginnt das gezielte Experimentieren:

  • Anpassung von WIP-Limits oder Sprintlängen
  • Flexibilisierung von Meetings
  • Anpassung der Rollenverteilung

Erst wenn die Regeln wirklich verstanden sind, macht es Sinn, sie zu verändern.

Ri – Die Meisterphase: Eigene Wege finden

Hier ist das Team oder Unternehmen in der Lage, eigene agile Wege zu definieren. Viele Organisationen überspringen jedoch die vorherigen Phasen und versuchen direkt, ihren eigenen Ansatz zu entwickeln – oft mit negativen Konsequenzen.

Ein Beispiel: Viele Firmen versuchen, das Spotify-Modell zu kopieren, ohne dessen Entwicklungsgeschichte zu kennen. Dabei war Spotify selbst im Ri-State, als sie ihr Framework schufen – für ihre spezifische Situation.

Fazit – Der Weg zur agilen Meisterschaft

Shu-Ha-Ri ist ein kraftvolles Modell, um agiles Arbeiten besser zu verstehen.

  1. Lerne die Regeln, bevor du sie brichst.
  2. Verstehe, warum bestimmte Methoden funktionieren.
  3. Erst dann entwickle deine eigene Version von Agilität.

Ressourcen und Empfehlungen

Wenn du Scrum oder Kanban in deinem Unternehmen einführen willst, halte dich zuerst an das „Lehrbuch“. Meisterschaft entsteht durch Erfahrung, nicht durch voreilige Anpassungen.

Dein agilophiler Frank

Weitere Episoden des agilophil Podcasts findest du auf der Übersichtsseite Podcast.