Projektabbruch – Katastrophe oder Chance?
In dieser Folge des agilophil Podcasts geht es um ein „No-Go“ des Projektmanagements: Den Abbruch eines Projekts. Jedenfalls wird es oft so gehen. Viele Unternehmen halten zu lange an Projekten fest, obwohl diese längst nicht mehr wirtschaftlich oder sinnvoll sind. Warum fällt es uns so schwer, die Reißleine zu ziehen? Und wie kann man sich gezielt darauf vorbereiten, um den Schaden zu minimieren?
Warum fällt es uns so schwer, ein Projekt abzubrechen?
Die emotionale Bindung an ein Projekt ist oft größer, als wir denken. Ähnlich wie an der Börse – wenn man Aktien hält, die an Wert verlieren, hofft man, dass sich der Kurs doch noch erholt. Doch Hoffnung ist keine Strategie. Emotionen wie Stolz, Angst vor Gesichtsverlust oder das Bedürfnis, eine getroffene Entscheidung durchzuziehen, verhindern häufig eine rationale Bewertung.
Gerade in klassischen, wasserfallartigen Projektstrukturen wird häufig am ursprünglichen Plan festgehalten, auch wenn längst absehbar ist, dass das Projekt aus dem Ruder läuft. Doch auch in agilen Projekten kann es passieren, dass der Scope unkontrolliert wächst oder ein falsches Produkt gebaut wird.
Wann ist es Zeit, ein Projekt abzubrechen?
Erfolgreiche Investoren definieren vor dem Kauf einer Aktie bereits Ausstiegskriterien – also Signale, die anzeigen, dass die Investition nicht wie geplant verläuft. Diese Strategie lässt sich auf Projekte übertragen.
Ein sogenannter Abbruchschalter kann helfen, rechtzeitig eine Entscheidung zu treffen. Ein solcher Schalter könnte folgende Kriterien umfassen:
- Das Projekt überschreitet seinen geplanten Zeitrahmen drastisch, z. B. verdoppelt sich die geschätzte Entwicklungszeit.
- Das Budget wird übermäßig ausgeschöpft, ohne dass ein entsprechend großer Nutzen entsteht.
- Das Minimum Viable Product (MVP) zeigt keine Akzeptanz im Markt oder erzielt nicht die gewünschten Umsätze.
- Die Teamdynamik verschlechtert sich durch ständig wachsende Anforderungen und unrealistische Erwartungen.
Wichtig ist, diese Kriterien vorab mit dem Team festzulegen und schriftlich zu dokumentieren. Andernfalls entsteht eine emotionale Debatte darüber, ob ein Projekt weitergeführt oder beendet werden soll.
Lernen aus gescheiterten Projekten
Ich habe selbst erlebt, wie Projekte trotz anfänglicher Euphorie in eine Sackgasse geraten sind. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel war ein Projekt mit mehreren beteiligten Firmen, das durch unkontrolliertes Wachstum und unklare Verantwortlichkeiten scheiterte. Letztendlich wurde das Projekt abgebrochen, nachdem bereits ein hoher sechsstelliger Betrag investiert worden war. Doch durch diese Entscheidung wurde verhindert, dass ein mittlerer siebenstelliger Betrag weiter in den Sand gesetzt wurde.
Projekte wie die Restaurierung der Gorch Fock, die von ursprünglich geplanten 10 Millionen auf über 136 Millionen Euro Kosten explodierte, zeigen, was passieren kann, wenn keine klaren Grenzen gesetzt werden.
Was bedeutet das für agile Unternehmen?
Agile Methoden wie Scrum helfen dabei, frühzeitig echtes Feedback zu erhalten und so ein Projekt rechtzeitig anzupassen oder zu beenden. Im Gegensatz zu klassischen Projekten, in denen Fortschritt anhand von Papierplänen gemessen wird, liefert Scrum funktionierende Software in kurzen Iterationen.
Ein agiles Unternehmen kann schneller erkennen, ob sich ein Projekt lohnt oder ob eine Neuausrichtung nötig ist. Wer sich jedoch zu stark an ein Konzept klammert und nicht bereit ist, den Kurs zu ändern, läuft Gefahr, unnötig Ressourcen zu verschwenden.
Wie kannst Du Projekte klug abbrechen?
- Definiere klare Ausstiegskriterien – noch bevor das Projekt startet.
- Überwache regelmäßig den Fortschritt anhand dieser Kriterien.
- Lasse Emotionen aus der Entscheidung heraus – rein rationale Bewertung!
- Akzeptiere, dass ein Abbruch keine Niederlage ist, sondern unter Umständen die beste wirtschaftliche Entscheidung.
- Nutze agile Methoden, um frühzeitig Rückmeldung aus dem Markt und von Stakeholdern zu erhalten.
Fazit: Abbrechen ist nicht gleich Scheitern
Den Mut zu haben, ein Projekt abzubrechen, kann Unternehmen vor riesigen finanziellen und personellen Verlusten bewahren. Es geht nicht um Versagen, sondern um eine rationale, fundierte Entscheidung. Wer die richtigen Mechanismen integriert, kann seine Ressourcen optimal einsetzen und seine Projekte zielgerichteter steuern. In agilen Projekten ist der Product Owner für den ROI eines Projektes oder Produktes verantwortlich. Diese schwere Entscheidung für einen Projektabbruch sollte nicht unvorbereitet getroffen werden – Stimme dich rechtzeitig mit deinen Stakeholdern und dem Team ab.
Ressourcen und Empfehlungen
- Scrum Guide: offizielle Downloadseite
Wenn Du Unterstützung dabei brauchst, Dein Unternehmen agiler zu machen oder eine schwierige Projektentscheidung zu treffen, melde Dich gern bei mir!
Dein agilophiler Frank
Weitere Episoden des agilophil Podcasts findest du auf der Übersichtsseite Podcast.