Agiler Reifegrad - agile maturity

agilophil Podcast Folge 78: Agiler Reifegrad – agile maturity

Agiler Reifegrad – Wie misst man Agilität wirklich?

Agilität ist in aller Munde, doch viele Unternehmen stellen sich die gleiche Frage: „Sind wir schon agil genug?“ Um das herauszufinden, greifen sie oft auf sogenannte agile Reifegradmodelle zurück. Diese Modelle versprechen eine objektive Bewertung des agilen Fortschritts und helfen angeblich dabei, Schwachstellen aufzudecken und konkrete Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren.

Doch ist das wirklich der richtige Weg? Kann man Agilität tatsächlich messen – oder führen diese Modelle nur zu einer falschen Sicherheit?

In dieser Podcastfolge beleuchte ich die Hintergründe dieser Reifegradmodelle, zeige ihre Grenzen auf und erkläre, woran Du den echten Fortschritt Deiner Organisation erkennen kannst.

Was bedeutet „Reife“ eigentlich?

Das Wort „Reife“ ist spannend: Bei Obst, Käse oder Wein bedeutet es eine Verbesserung der Qualität bis zu einem bestimmten Punkt. Danach geht es bergab. Doch ist das auch auf Unternehmen übertragbar? Kann ein Unternehmen einen bestimmten agilen Reifegrad erreichen – und dann bleibt alles gut?

Die Antwort ist nein. Reife ist kein statischer Zustand. Agilität ist ein fortlaufender Prozess, der sich immer weiterentwickelt. Trotzdem gibt es Modelle, die versuchen, Unternehmen in feste Kategorien einzuteilen. Doch wie sinnvoll ist das?

Die Versuchung, Agilität zu messen

Unternehmen haben ein starkes Bedürfnis nach Messbarkeit und Kontrolle. Doch Agilität basiert auf Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und kontinuierlichem Lernen – alles Dinge, die schwer in Zahlen auszudrücken sind.

Trotzdem gibt es agile Reifegradmodelle, die genau das versuchen:

  • Sie definieren Stufen der Agilität – meist in einer Skala von 1 bis 5 oder 1 bis 10.
  • Sie bewerten die Umsetzung agiler Prinzipien und Praktiken in einem Unternehmen.
  • Sie versprechen eine Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen oder Teams.

Doch genau hier liegt das Problem: Können standardisierte Modelle wirklich die Realität einer Organisation abbilden?

Wie funktionieren agile Reifegradmodelle?

Diese Modelle arbeiten mit Fragen und Bewertungskriterien, wie zum Beispiel:

  • Individuen & Interaktionen vs. Prozesse & Tools – Wie stark werden persönliche Zusammenarbeit und Eigenverantwortung gefördert?
  • Funktionierende Software vs. umfassende Dokumentation – Werden die Prinzipien des agilen Manifests umgesetzt?
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden vs. Vertragsverhandlungen – Wie flexibel reagiert das Unternehmen auf Kundenbedürfnisse?
  • Veränderungswille vs. Planerfüllung – Wird Innovation gefördert oder an starren Plänen festgehalten?

Auf Basis solcher Fragen wird dann ein „agiler Reifegrad“ berechnet – aber was bedeutet es wirklich, wenn ein Unternehmen eine „5 von 10“ erreicht? Ist es halb agil? Ist es gut oder schlecht?

Diese Zahlen täuschen oft eine falsche Genauigkeit vor.

Die Illusion der Vergleichbarkeit

Ein großes Problem dieser Reifegradmodelle ist die subjektive Interpretation:

  • Wird das Modell von einem externen Berater angewendet, bringt dieser seine eigene Erfahrung und Einschätzung mit.
  • Bewertet sich das Unternehmen selbst, spielen persönliche Meinungen und individuelle Wahrnehmungen eine Rolle.
  • Die Unternehmensleitung könnte Reifegradmodelle strategisch nutzen, um bestimmte Maßnahmen zu rechtfertigen – unabhängig von der tatsächlichen Agilität.

Viele Organisationen nutzen solche Assessments, um einen „Status quo“ festzustellen – aber oft steckt dahinter nicht mehr als ein Gefühl von Kontrolle, das in Wirklichkeit nicht existiert.

Was kostet es, agiler zu werden?

Ein Unternehmen kann sich nicht einfach durch das Befolgen agiler Praktiken „agiler kaufen“. Die Einführung agiler Methoden ohne das passende Mindset führt oft zu sogenannten Cargo-Kult-Prozessen: Man macht zwar Scrum oder Kanban, lebt aber die Prinzipien dahinter nicht wirklich.

Wirklich agile Organisationen:

  • fördern Selbstorganisation, statt starre Prozesse zu etablieren,
  • geben den Teams Verantwortung, statt alles zentral zu steuern,
  • investieren in eine agile Unternehmenskultur, statt nur Methoden einzuführen.

Das bedeutet, dass Agilität kein einmaliges Projekt ist, sondern eine kontinuierliche Investition in die Zusammenarbeit, Führung und Kultur eines Unternehmens.

Wo sollte man ansetzen, um wirklich agiler zu werden?

Statt sich auf theoretische Punktesysteme zu verlassen, sollten Unternehmen sich besser folgende Fragen stellen:

✅ Wie haben wir uns im letzten Jahr verändert?
✅ Welche konkreten Verbesserungen haben wir umgesetzt?
✅ Wie haben wir unser Produkt oder unseren Service optimiert?
✅ Wie hat sich die Zufriedenheit unserer Kunden entwickelt?
✅ Sind unsere Teams eigenständiger und innovativer geworden?

Diese Fragen liefern wertvolle Erkenntnisse über den tatsächlichen Fortschritt – ganz ohne fragwürdige Reifegrad-Levels.

Das wahre Maß für Agilität: Der eigene Fortschritt

Am Ende zählt nicht, ob Dein Unternehmen eine „8 von 10“ in einem Reifegradmodell erreicht, sondern ob es heute besser ist als gestern.

  • Wachsen Deine Teams an ihren Aufgaben?
  • Könnt ihr schneller auf Veränderungen reagieren?
  • Sind Eure Kunden zufriedener als vor einem Jahr?
  • Entstehen neue Ideen und Innovationen aus der Zusammenarbeit?

Wenn diese Fragen mit „Ja“ beantwortet werden können, dann seid ihr auf dem richtigen Weg – egal, was irgendein Modell sagt.

Fazit: Vergleiche Dich nicht mit anderen – sondern mit Dir selbst

Viele agile Reifegradmodelle erwecken den Eindruck, dass Agilität linear verläuft und eine klare Entwicklungsstufe nach der anderen erreicht werden muss. Doch das entspricht nicht der Realität. Jede Organisation hat ihren eigenen Weg.

👉 Vergleiche Dich nicht mit theoretischen Idealmodellen, sondern mit Deiner eigenen Entwicklung.

👉 Messe Agilität nicht in Punkten, sondern an echten Ergebnissen.

👉 Agilität bedeutet Fortschritt – nicht Perfektion.

Ressourcen und Empfehlungen

Lass uns darüber sprechen!

Im agilophil Mentoring-Programm helfe ich Dir, Deine Organisation wirklich agiler zu machen – ohne starre Kennzahlen, sondern mit praktischen Ansätzen, die funktionieren.

Viel Spaß mit dieser Episode – und denk dran: Wahre Agilität misst sich nicht in Punkten, sondern in echten Verbesserungen.

Dein agilophiler Frank

Weitere Episoden des agilophil Podcasts findest du auf der Übersichtsseite Podcast.