Die andere Seite des agilen Manifests: Agile Projektverträge
In dieser Folge des agilophil Podcasts geht es um ein Thema, das oft übersehen oder als „notwendiges Übel“ betrachtet wird: Verträge in agilen Projekten. Während das agile Manifest die Zusammenarbeit mit dem Kunden über Vertragsverhandlungen stellt, kommen wir in der Realität nicht ohne Verträge aus. Doch welche Vertragsarten passen überhaupt zu agilen Projekten? Welche Preismodelle fördern Zusammenarbeit und Fairness? Und warum sind klassische Werkverträge für agile Projekte eher ungeeignet? Diese Fragen kläre ich in dieser Episode.
Warum Verträge in agilen Projekten notwendig sind
Ob wir es wollen oder nicht: Verträge regeln Zusammenarbeit – sei es mit Kunden, Lieferanten oder Partnern. Selbst in agilen Projekten, die auf Flexibilität und Kundeneinbindung setzen, braucht es klare Rahmenbedingungen. Besonders wichtig ist die Unterscheidung zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag, da sie grundlegende Auswirkungen auf die Projektorganisation haben.
Werkvertrag vs. Dienstvertrag – Was passt zu Agile?
Beim Werkvertrag wird ein fest definiertes Produkt geliefert – mit klaren Vorgaben und einer Abnahme durch den Kunden.
🚫 Problem für Agile:
- Starre Vorgaben widersprechen der Flexibilität agiler Methoden.
- Abnahmeprozesse verhindern schnelle Iterationen.
- Der Auftragnehmer schuldet ein Endprodukt – nicht die kontinuierliche Zusammenarbeit.
Der Dienstvertrag dagegen ermöglicht eine flexiblere Zusammenarbeit:
✅ Der Kunde zahlt für die erbrachte Arbeit – nicht für ein vorher festgelegtes Endprodukt.
✅ Änderungen sind einfacher umsetzbar.
✅ Die Zusammenarbeit mit dem Kunden steht im Vordergrund.
Doch viele Kunden fürchten die Unsicherheit eines Dienstvertrags, da kein „fertiges Produkt“ garantiert ist. Daher sollten Vertragsmodelle bewusst gewählt werden, um die Zusammenarbeit zu unterstützen.
Welche Vertrags- und Preismodelle fördern Agilität?
Agile Projekte benötigen nutzenorientierte Vertragsmodelle, die Zusammenarbeit und Fairness in den Fokus rücken.
1. Profit Sharing – Erfolg gemeinsam teilen
Hier wird nicht für Entwicklungsaufwand gezahlt, sondern der Auftragnehmer erhält eine Beteiligung am Erfolg des Produkts.
✅ Hohe Motivation für das Team, das bestmögliche Produkt zu liefern.
⚠️ Risiko durch hohe Vorleistungen, da der Ertrag erst nach Markteinführung kommt.
Beispiel: Ein Webshop wird kostenlos entwickelt, aber der Anbieter erhält einen prozentualen Anteil an jedem Verkauf.
2. Pay per Use – Bezahlung nach Nutzung
Der Kunde zahlt nur, wenn das Produkt genutzt wird.
✅ Fair, da der Kunde nur für den tatsächlichen Mehrwert zahlt.
⚠️ Risiko für den Anbieter, wenn die Nutzung geringer als erwartet ausfällt.
Beispiel: Eine Rechnungssoftware wird kostenlos entwickelt, aber der Kunde zahlt pro erstellter Rechnung.
3. Proviant und Prämie – Zielorientierte Vergütung
Hier gibt es eine Kostenerstattung plus Prämien, wenn bestimmte Ziele erreicht werden.
✅ Fördert Effizienz und Qualität.
⚠️ Setzt Vertrauen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer voraus.
4. Bezahlung nach Produktivität – Agile Value Points
Der Kunde zahlt für gelieferte Features oder „Value Points“, die den Mehrwert widerspiegeln.
✅ Direkte Kopplung an den geschaffenen Nutzen.
⚠️ Schwierige Messbarkeit und potenzielle Konflikte bei der Bewertung.
5. Agile Festpreise – Planbarkeit mit Flexibilität
Hier sind Zeitraum und Kosten fix, aber der Scope bleibt flexibel.
✅ Planbarkeit für den Kunden bei gleichzeitigem Erhalt der Agilität.
⚠️ Erfordert eine genaue Kostenschätzung und stabil arbeitendes Team.
Zusätzlich gibt es Konzepte wie „Money for Nothing & Change for Free“, bei denen frühzeitige Fertigstellung durch finanzielle Anreize belohnt wird. Der Kunde zahlt weniger, wenn das Projekt schneller abgeschlossen wird, und kann Änderungen im Backlog kostenlos priorisieren.
Das wichtigste Learning: Zusammenarbeit über alles
Letztlich kann kein Vertrag der Welt eine gute Zusammenarbeit ersetzen. Agile Teams und Kunden sollten sich als Partner verstehen und Verträge als unterstützendes Element begreifen – nicht als starres Regelwerk. Vertragsmodelle, die Flexibilität, Zusammenarbeit und Fairness fördern, passen am besten zum agilen Mindset.
Ressourcen und Links
- Blogartikel: Agile Verträge und Preismodelle für die agile Softwareentwicklung
- Buchtipp: Andreas Opelt, Boris Gloger, Wolfgang Pfarl, Ralf Mittermayr – Der agile Festpreis: Leitfaden für wirklich erfolgreiche IT-Projekt-Verträge
- Buchtipp: Fritz-Ulli Pieper, Stefan Roock – Agile Verträge: Vertragsgestaltung bei agiler Entwicklung für Projektverantwortliche
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Dein agilophiler Frank
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