Komplexität – Warum wir die Welt nicht wie eine Maschine betrachten sollten
In dieser Folge des agilophil-daily Podcasts beschäftige ich mich mit einem Thema, das unser Leben und Arbeiten stark beeinflusst: Komplexität.
Oft wünschen wir uns einfache Lösungen für Probleme – klare Ursache-Wirkungs-Beziehungen, bei denen ein bestimmter Input ein vorhersehbares Ergebnis liefert. Doch die Realität sieht anders aus. Die Welt ist komplex, und viele Systeme, mit denen wir täglich zu tun haben, sind nicht in einfache Regeln zu fassen.
Doch was genau bedeutet Komplexität eigentlich? Und warum führt unser oft mechanistisches Denken zu falschen Erwartungen – sei es in der Medizin, der Politik oder im Projektmanagement? Diese Fragen beleuchte ich in dieser Episode.
Was ist Komplexität?
Komplexität bedeutet, dass ein System aus vielen interagierenden Elementen besteht, deren Zusammenspiel nicht vollständig vorhersehbar ist. Es gibt Rückkopplungen, emergente Eigenschaften und oft keine klaren Ursache-Wirkungs-Beziehungen.
Ein einfaches Beispiel für ein komplexes System ist der Mensch selbst. Unser Körper besteht aus Billionen von Zellen, Milliarden von Nervenzellen und Millionen von Kilometern an Nervenbahnen. Unser Gehirn verarbeitet riesige Mengen an Informationen – vieles davon unbewusst. Die Interaktionen zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein sind so umfangreich, dass es unmöglich ist, sie komplett zu durchschauen.
Und wenn mehrere komplexe Systeme zusammenwirken – wie etwa in einem Fußballteam oder einem Scrum-Team – entsteht ein weiteres, noch komplizierteres Zusammenspiel.
Komplexität vs. Kompliziertheit
Viele verwechseln kompliziert mit komplex.
- Ein kompliziertes System kann durch Analysen, Regeln und Ursache-Wirkungs-Beziehungen verstanden werden.
- Ein komplexes System hingegen ist nicht vollständig vorhersehbar. Es verändert sich und lernt aus der Umgebung.
Beispiel:
- Eine Schweizer Uhr ist kompliziert – sie hat viele Zahnräder, aber ihre Funktionsweise ist genau berechenbar.
- Ein Unternehmen ist komplex – weil Menschen, Emotionen und unvorhersehbare Markteinflüsse eine Rolle spielen.
Warum mechanistisches Denken oft scheitert
Seit der Industrialisierung dominiert in vielen Bereichen die Idee, dass die Welt wie eine Maschine funktioniert. Das zeigt sich besonders in der Medizin:
- Der Arzt wird als „Mechaniker des Körpers“ gesehen.
- Eine Krankheit ist wie ein „defektes Teil“.
- Eine Pille oder Operation „repariert“ den Schaden.
Doch das greift zu kurz. Der menschliche Körper ist ein hochkomplexes, adaptives System. Medikamente wirken nicht immer vorhersehbar, und keine Behandlung garantiert den exakt gleichen Effekt bei jedem Patienten.
Ă„hnliche Denkfehler gibt es in der Politik:
- In der Corona-Pandemie wurde von Virologen und Politikern oft erwartet, dass sie exakte Vorhersagen treffen können.
- Doch Pandemien sind komplex – verschiedene Maßnahmen haben in verschiedenen Ländern unterschiedliche Effekte.
- Nur durch Experimente kann man herausfinden, welche Strategien funktionieren.
Agiles Arbeiten als Antwort auf Komplexität
Auch im Projektmanagement sehen wir die Herausforderung von Komplexität.
- Viele Unternehmen behandeln Softwareentwicklung wie einen Hausbau: mit einem festen Plan und vorhersehbarem Ergebnis.
- Doch Softwareentwicklung ist ein kreativer Prozess mit vielen Unbekannten.
- Agile Methoden wie Scrum oder Kanban sind darauf ausgelegt, mit Unsicherheiten umzugehen, statt sie zu eliminieren.
Ein Beispiel:
- Ein Scrum-Team besteht aus mehreren Entwicklern – jedes Teammitglied bringt eigene Ideen, Erfahrungen und Arbeitsweisen mit.
- Die Zusammenarbeit, Abhängigkeiten und das Nutzerverhalten der Software sind nicht vollständig planbar.
- Statt einen starren Plan zu verfolgen, arbeitet man mit kurzen Feedback-Zyklen und iterativer Verbesserung.
Lernen durch Experimente – der richtige Umgang mit Komplexität
Wie können wir in einer komplexen Welt richtige Entscheidungen treffen?
- Anerkennen, dass wir nicht alles wissen können. Niemand kann perfekte Vorhersagen treffen – und das ist in Ordnung.
- Mit Experimenten arbeiten. In agilen Teams nennt man das „Inspect & Adapt“ – kleine, schnelle Tests, um zu sehen, was funktioniert.
- Akzeptieren, dass Fehler dazugehören. Wir lernen aus Fehlern, und das ist ein natürlicher Teil des Prozesses.
Fazit:Â
Die Welt ist komplex, war es immer und wird es immer bleiben. Wer erwartet, dass Experten immer alle Antworten haben oder dass alles planbar ist, wird enttäuscht. Vielmehr müssen wir lernen, mit Unsicherheiten umzugehen, flexibel zu bleiben und durch Experimente zu lernen.
Ressourcen und Empfehlungen
👉 Ich wünsche dir viel Erfolg mit deinen eigenen Experimenten!
Dein agilophiler Frank
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