Agilität trifft Bildung: Wie Scrum4Schools Schule verändert
In dieser besonderen Episode des agilophil Podcasts spreche ich mit Boris Gloger, einem der bekanntesten Agilitätsvordenker im deutschsprachigen Raum, über ein Thema, das weit über die Grenzen der agilen Arbeitswelt hinausgeht: Agilität in der Schule – konkret umgesetzt in der Initiative „Scrum4Schools“.
Boris Gloger, Gründer der gleichnamigen Unternehmensberatung, Speaker und Buchautor, bringt agile Methoden seit Jahren erfolgreich in Unternehmen – und seit einiger Zeit auch in Klassenzimmer. Im Gespräch erläutert er, warum es höchste Zeit ist, Bildung neu zu denken und wie agile Prinzipien wie Selbstorganisation, Feedbackkultur und iterative Lernprozesse das Schulsystem revolutionieren können.
Was ist Scrum4Schools überhaupt?
Scrum4Schools ist im Grunde eine direkte Übertragung des Scrum-Frameworks auf den schulischen Kontext – mit minimalen Anpassungen der Begrifflichkeiten. So wird aus dem „Product Backlog“ ein „Erkundungsauftrag“, der Scrum Master kann ein „Tischsprecher“ sein, und das Taskboard nennt sich einfach „Lerntafel“. Die Grundstruktur bleibt erhalten: Schüler:innen arbeiten in Teams, übernehmen Verantwortung, reflektieren regelmäßig und lernen in iterativen Schritten – alles unter Begleitung ihrer Lehrer:innen.
Warum Agilität in der Schule Sinn ergibt
Boris berichtet, wie ihn schon lange die Frage beschäftigt hat, warum viele Menschen ungern zur Arbeit gehen – und wie ähnlich dieses Gefühl oft mit der Schulzeit beginnt. Die Parallele liegt auf der Hand: Auch Schule ist häufig fremdbestimmt, strukturiert durch starre Curricula und wenig Raum für individuelle Entfaltung. Genau hier setzt Scrum4Schools an.
Das Ziel: Schüler:innen erleben ihre Lernzeit als sinnvoll, selbstbestimmt und produktiv. Sie lernen, Verantwortung zu übernehmen, sich gegenseitig zu unterstützen und den eigenen Lernprozess aktiv zu gestalten. Lehrer:innen wiederum erfahren eine spürbare Entlastung – und sind oft überrascht, wie viel ihre Schüler:innen tatsächlich leisten können, wenn man ihnen die Freiheit gibt.
Erfahrungen aus der Praxis
In der Episode kommen zahlreiche Beispiele zur Sprache – von Grundschule über die Berufsschule bis zur gymnasialen Oberstufe. Besonders eindrücklich ist das Beispiel einer Schule in Essen, an der drei Fächer projektbasiert zusammengelegt wurden. Die Schüler:innen entwickelten eigene Projekte zu Nachhaltigkeitsthemen, pitchten ihre Ideen im Stil der „Höhle der Löwen“ und setzten diese in einem Makerspace um. Die Ergebnisse waren so überzeugend, dass der Lehrplan daraufhin angepasst wurde.
Ein anderes Beispiel stammt aus einer Volksschule in Österreich, wo einfache Veränderungen – wie das freie Sitzen im Klassenraum – große Wirkung zeigten. Solche kleinen Schritte eröffnen neue Lernräume und fördern die Selbstwirksamkeit der Kinder.
Was Lehrer:innen davon haben
Scrum4Schools funktioniert nur, wenn Lehrkräfte freiwillig mitmachen. Ein zentraler Punkt im Gespräch ist der Leidensdruck, unter dem viele Lehrer:innen heute stehen: überfüllte Klassen, wachsender Leistungsdruck, umfangreiche Bürokratie. Scrum for Schools bietet hier einen Ausweg – nicht durch mehr Arbeit, sondern durch eine andere Herangehensweise an den Unterricht.
Viele Lehrer:innen erleben durch den agilen Ansatz eine tatsächliche Entlastung. Wichtig ist dabei: Niemand muss perfekt starten. Wie auch in Unternehmen gilt: lieber unperfekt anfangen als gar nicht. Selbst ein kleines Experiment – wie eine Retrospektive mit der Klasse – kann schon neue Perspektiven eröffnen.
Was braucht es zur Umsetzung?
Wichtig ist vor allem der Mut, etwas auszuprobieren. Lehrkräfte können im Rahmen der „Freiheit von Lehre und Forschung“ ihre Methoden selbst gestalten – das ist rechtlich abgesichert. Hindernisse liegen oft eher in der eigenen Prägung und im Systemdenken als in tatsächlichen Vorschriften.
Materialien, Case Studies und sogar komplette Unterrichtspläne stehen inzwischen online frei zur Verfügung. Schulen wie die Alemannenschule Wutöschingen zeigen eindrucksvoll, wie ein Wandel gelingen kann – sogar mit signifikanten Kosteneinsparungen.
Fazit: Bildung braucht Agilität
Scrum4Schools ist kein Allheilmittel, aber ein wirksames Werkzeug für eine Schule, die Kinder ernst nimmt und sie als lernende Menschen versteht. Der Weg dahin ist nicht ohne Herausforderungen, aber er ist machbar – und lohnenswert.
Für alle, die selbst Kinder haben, in Schulen aktiv sind oder einfach daran glauben, dass Bildung besser sein kann: Hört rein, lasst euch inspirieren und bringt das Gespräch in eure Schulen.
Quellen und weiterführende Links
- Webseite Scrum4Schools: mit vielen Case Studies
- Webseite von Boris Gloger: www.borisgloger.com
- Buch: Boris Gloger – From Teaching to Learning*
- Buchtipp: Stefan Ruppaner/Anke Willers – Das könnte Schule machen*
- Buchtipp: Björn Nölte, Philippe Wampfler – Eine Schule ohne Noten*
- Filmtipp: Radical eine Klasse für sich: Verfügbar u.a. auf Amazon Prime, Apple TV, Sky und Magenta TV.
- Video-Podcast: Annika Heek/Boris Gloger: Agile Schule: Mehr Freiheit und Struktur mit Scrum4Schools.
- Webseite der Alemannenschule Wutöschingen
- Einen weiteren Ansatz für die agile Schule beschreiben: Matthias Förtsch und Friedemann Stöffler – „Die agile Schule“*
Hausaufgabe für alle agilen Mamas und Papas: Nehmt Kontakt mit der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer eures Kindes auf und schaut mal, ob ihr nicht den Funken übertragen könnt…:-)
Viel Erfolg
Dein agilophiler Frank
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