Teamentwicklung - Michel Eggebrecht im Interview

agilophil Podcast Folge 170: Teamentwicklung – Interview mit Michel Eggebrecht

Teamentwicklung – Was, wenn mein Team sich gar nicht entwickeln will?

In dieser Agilophil-Folge spreche ich mit Michel Eggebrecht, Berater, Coach, Release‑Train‑Engineer und Autor, über zentrale Fragen der Teamentwicklung in agilen Kontexten. Es geht um die Frage: Was passiert, wenn ein Team sich nicht entwickeln will – oder schlicht nicht kann? 

Wir beleuchten Blockaden, dynamische Entwicklungsstufen und helfende Interventionen. Und wir klären, ob Selbstorganisation ohne Führung überhaupt funktioniert.

Was tun, wenn das Team sich nicht entwickeln will?

Viele Agile Coaches und Scrum Master kennen das durchaus: Ein Team, das sich Veränderungen widersetzt und mit Widerstand reagiert. Doch anstatt vorschnell von Verweigerung zu sprechen und zu eskalieren, lohnt es sich, genau hinzuschauen. Oft liegen Missverständnisse zugrunde – etwa über Eigenverantwortung. Was von außen wie Desinteresse wirkt, kann in Wirklichkeit Unsicherheit oder schlechte Erfahrungen widerspiegeln. Eigenverantwortung lässt sich nicht pauschal beobachten, sondern nur im Kontext konkreter Situationen verstehen. Wichtig ist, Interpretation von beobachtetem Verhalten zu trennen.

Führung in selbstorganisierten Teams

Selbstorganisation heißt nicht, dass es keine Führung braucht. Im Gegenteil: Gerade in agilen Teams sind Führungsimpulse entscheidend. Das können Aussagen wie „Lass uns jetzt entscheiden“ oder „Wir gehen den Weg über Option A“ sein – auch von Teammitgliedern, nicht nur von Führungskräften. Agile Teams profitieren davon, wenn sie ihre Entscheidungsfähigkeit selbst entwickeln und sich in ihrer jeweiligen Kompetenz gegenseitig führen. Dabei ist Selbstorganisation kein Entweder-Oder, sondern ein Spektrum. Je nach Reifegrad und Rahmenbedingungen kann sie stärker oder schwächer ausgeprägt sein.

Widerstand verstehen und Vertrauen aufbauen

Wenn Teams ablehnend reagieren, stecken oft Befürchtungen dahinter: Angst vor Veränderung, Kontrolle durch externe Instanzen oder der Verlust bewährter Praktiken. Wer sich die Zeit nimmt, diese Sorgen zu verstehen, schafft Vertrauen. Einzelgespräche und Beobachtungen helfen dabei, unausgesprochene Regeln und Muster zu erkennen – wie etwa, dass Meetings nur dann ernst genommen werden, wenn bestimmte Personen anwesend sind. Sobald Teams erkennen, dass ihr Schmerz ernst genommen wird, entsteht Bereitschaft zur Entwicklung. Der Dialog über echte Probleme wirkt oft stärker als jeder methodische Rahmen.

Scrum flexibel anwenden statt dogmatisch durchsetzen

Nicht jede Scrum-Praktik macht in jedem Team Sinn. Gerade in technisch oder organisatorisch eingeschränkten Kontexten – etwa bei quartalsweisen Releases – sind Anpassungen erforderlich. Agile Coaches sollten Scrum als Werkzeug verstehen, nicht als Dogma. Der Schlüssel liegt darin, das „Wozu“ hinter jeder Methode zu verstehen und sie im Sinne des Teams passend zur Aufgabenstellung anzupassen. Das kann bedeuten, den Review-Rhythmus zu ändern oder ein Planning bewusst anders zu strukturieren. Ziel ist immer: ein Vorgehen, das dem Team hilft – nicht eines, das nur Regeln erfüllt.

Scrum darf nicht dogmatisch angewendet werden. Vielmehr geht es darum:

  • Erst Scrum-Praktiken ernsthaft auszuprobieren, um Erfahrung zu sammeln.
  • Danach zu überlegen: Was bringt uns wirklich etwas?
  • Gegebenenfalls Praktiken weglassen oder den Rahmen anpassen – z. B. Review-Rhythmen gemäß dem kontinuierlichen Release-Prozess flexibilisieren.
  • Ziel: ein maßgeschneidertes, sinnstiftendes Framework – das eigene Scrum.

Ein praktisches Beispiel: Ein COBOL-Team mit Quartals-Releases nahm wöchentliche Reviews als Last wahr. Michels Impuls half, Prioritäten neu zu setzen und den Rhythmus anzupassen – mit sofort spürbarer Entlastung und wachsendem Vertrauen.

Entscheidungen ermöglichen und Blockaden lösen

Ein einfacher, aber effektiver Tipp: Wenn ein Team sich nicht zwischen zwei Optionen entscheiden kann, hilft es oft, die Nicht-Entscheidung bewusst als dritte Option aufzuführen. So wird klar, was es bedeutet, nicht zu handeln – und ob das wirklich sinnvoll ist. Entscheidungen brauchen Mut und das Aushalten von Unsicherheit. Wer diese Kultur im Team etabliert, schafft mehr Eigenverantwortung. Vermeintlich blockierte Teams zeigen oft ein starkes Verantwortungsgefühl – sie handeln nur nicht, weil sie negative Folgen befürchten. Diese Haltung zu erkennen und gezielt aufzulösen, ist der erste Schritt zur echten Teamentwicklung.

Fazit

Wenn du das nächste Mal mit einem Team arbeitest, das „keinen Bock“ auf Entwicklung oder Agilität hat – mach nicht sofort den Verweigerer draus. Starte mit Haltung, Fragen und kleinen Interventionen. Löse Befürchtungen auf. Verändere Rahmen und nutze die Frameworks nicht zwanghaft. Und biete Führung in Form von Impulsen. Dann entsteht echtes Vertrauen, und Veränderung wird möglich. Letztlich geht es in der Teamentwicklung darum: Das Team versteht, warum die Veränderung sinnvoll ist – und will sich entwickeln.

Links und Empfehlungen

Michel ist erreichbar über LinkedIn und seine Website michael‑eggebrecht.com.

Im November 2025 bietet er in Hamburg das Seminar „Herausforderungen der Teamentwicklung systemisch betrachtet“ zu schwierigen Fragen der Teamentwicklung an – insbesondere zu Verweigerung, Konflikt und Management-Einmischung. Hier der Link für mehr Informationen und zur Anmeldung (per Mail oder telefonisch):

Viel Spaß bei dieser Folge

Dein agilophiler

Frank

Weitere Episoden des agilophil Podcasts findest du auf der Übersichtsseite Podcast.

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