More with LeSS – Frank Hampe mit Robert Briese
In dieser Folge des agilophil Podcasts spreche ich mit Robert Briese, einem von nur 23 weltweit agierenden LeSS-Trainern. LeSS – oder Large Scale Scrum – ist eine Methode zur Skalierung agiler Produktentwicklung. Doch anders als andere Skalierungsframeworks wie SAFe oder Nexus sieht sich LeSS weniger als ein reines Framework, sondern vielmehr als ein Organisationsdesign. Es geht nicht um die Skalierung an sich, sondern um das Gegenteil: die Deskalierung unnötiger Strukturen, um echte Agilität zu ermöglichen.
Was ist Large Scale Scrum (LeSS)?
LeSS steht für Large Scale Scrum und ist ein Framework zur Skalierung agiler Produktentwicklung. Im Gegensatz zu anderen Skalierungsframeworks wie SAFe, Nexus oder Scrum@Scale verfolgt LeSS einen radikal anderen Ansatz: Es optimiert die gesamte Organisation, anstatt nur agile Praktiken auf Teamebene zu koordinieren. Statt zusätzliche Strukturen zu schaffen, geht es darum, unnötige Komplexität zu reduzieren und eine lernende Organisation zu ermöglichen.
Ein wichtiger Punkt: LeSS ist kein Projektmanagement-Framework. Es ist vielmehr ein Organisationsdesign, das darauf abzielt, Scrum auf viele Teams auszuweiten, ohne dabei die Prinzipien von Scrum aufzugeben.
Robert beschreibt es so:
„LeSS ist eigentlich kein Skalierungsframework, sondern ein Deskalierungsframework.“
Viele Unternehmen versuchen, Agilität zu skalieren, indem sie zusätzliche Prozesse, Koordinationsschichten und Governance-Modelle einführen. Doch genau das widerspricht der agilen Idee. LeSS hingegen setzt darauf, Scrum in seiner ursprünglichen Form beizubehalten – auch mit mehreren Teams.
LeSS vs. andere Skalierungsframeworks
Ein häufiges Missverständnis bei der Skalierung von Scrum ist, dass mehrere Scrum-Teams einfach nebeneinander arbeiten, ohne eine sinnvolle Struktur. Oft wird versucht, mit Frameworks wie SAFe oder Nexus Ordnung in das Chaos zu bringen – doch dabei entstehen oft starre Strukturen, die den eigentlichen agilen Prinzipien entgegenstehen.
Robert erklärt:
„Was in SAFe oder Scrum@Scale oft passiert, ist, dass Teams zwar Scrum machen, aber die Organisation darüber nicht agil ist. Am Ende haben wir dann wieder Wasserfall-Prozesse, nur mit anderen Begriffen.“
LeSS geht einen anderen Weg:
- Ein einziges Product Backlog für alle Teams
- Ein gemeinsamer Product Owner, der das Backlog priorisiert
- Feature-Teams statt spezialisierter Teams, die End-to-End-Funktionalitäten entwickeln
- Maximal acht Teams in einem LeSS-Setup, ab acht Teams wird in „LeSS Huge“ organisiert
Wie funktioniert LeSS in der Praxis?
In einem klassischen LeSS-Setup arbeiten bis zu acht Teams an einem gemeinsamen Produkt, gesteuert von einem einzigen Product Owner. Das Ziel ist, den Kundenwert immer in den Mittelpunkt zu stellen, indem Teams an echten End-to-End-Funktionalitäten arbeiten.
Bei größeren Unternehmen kommt LeSS Huge zum Einsatz. Hier wird das Product Backlog in verschiedene Areasunterteilt, mit jeweils eigenen Area Product Owners, die für bestimmte Kundensegmente oder Produkte verantwortlich sind. Dennoch gibt es weiterhin nur ein zentrales Backlog und einen Gesamt-Product-Owner, der das große Ganze im Blick behält.
Fallbeispiel: BMW setzt auf LeSS
Ein prominentes Beispiel für eine erfolgreiche LeSS-Implementierung ist BMW, wo das Framework für die Entwicklung von Software für selbstfahrende Autos genutzt wird. Hier wurde die klassische Komponentenorganisation aufgelöst und Feature-Teams eingeführt, die an echten Kundenanforderungen arbeiten.
Statt Teams, die an einzelnen technischen Modulen wie Bilderkennung oder Sensorsteuerung arbeiten, wurden Teams gebildet, die komplette Features umsetzen – beispielsweise:
- Ein Team für die Stoppschild-Erkennung
- Ein Team für das Geradeausfahren
- Ein Team für das Abbiegen
Jede dieser Funktionalitäten wird von einem Team entwickelt, getestet und integriert. Der große Vorteil: Die Teams entwickeln echte End-to-End-Funktionalitäten, statt an isolierten Modulen zu arbeiten.
Wie führt man LeSS erfolgreich ein?
Laut Robert gibt es einen entscheidenden Fehler, den viele Unternehmen machen:
„Viele wollen Agilität skalieren, aber sie wissen nicht, warum.“
Eine erfolgreiche LeSS-Einführung beginnt nicht mit einem großen Rollout, sondern mit der Frage: Warum wollen wir agil werden?
Die empfohlene Vorgehensweise:
- Mit einem Scrum-Team starten und prüfen, ob Scrum erfolgreich funktioniert.
- Falls mehr Teams benötigt werden: Organisch wachsen, statt von Anfang an groß zu planen.
- Scrum-Prinzipien beibehalten – auch bei mehreren Teams.
- Auf Kundenfokus achten und nicht nur technische Arbeitspakete verteilen.
Eine LeSS-Adoption dauert in der Regel viele Jahre, nicht Monate, da sie tief in die Organisationsstrukturen eingreift.
Mehr über LeSS erfahren
Robert Briese bietet offizielle LeSS-Trainings in Deutsch und Englisch an, sowohl online als auch vor Ort in Berlin. Wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, kann sich in seiner Slack-Community austauschen oder ihn direkt über LinkedIn kontaktieren.
Ressourcen und Empfehlungen
- Buchtipp: Craig Larmann, Bas Vodde – Large-Scale Scrum: Scrum erfolgreich skalieren mit LeSS
- BMW Case Study
- LeSS Case Studies
📌 Mehr Infos zu Robert Briese und seinen Trainings:
Website von Robert Briese: Lean Sherpas GmbH
Buche Trainings mit Robert Briese direkt hier: LeSS Trainings
Dein agilophiler Frank
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